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Kalter Krieg 2.0

Ich reibe mir täglich die Augen: Wenn ich zuschauen muss, wie der Westen auf Putin einprügelt, Russland drangsaliert, isoliert und demütigt. Woher kommt dieses eigenartige und ganz und gar nicht der Sache entsprechende Russland-Bashing? Dieses grobe und vor allem zu Beginn unnötig aggressive Verhalten des Westens, das uns an den Rand eines globalen Konflikts gebracht hat – und noch bringen kann? Blenden wir kurz zurück, mit entsprechenden Vereinfachungen. Es war einmal die Ukraine. Ein traditionell korrupter Staat mit einer korrupten russlandfreundlichen Regierung (unter Janukowitsch), erst seit 1991 nicht mehr zu der UdSSR gehörig. Materiell und finanziell stark vom grossen Bruder im Nordosten abhängig, zu Goodwill-Preisen Erdgas von Russland beziehend und eigentlich bei diesem tief in der Kreide stehend. Dann kamen die proeuropäischen Kräfte immer mehr auf, man mochte sich doch lieber gen Europa statt gen Russland orientieren. Dafür hat man dann den russlandfreundlichen, demokratisch gewählten Präsidenten mit Druck von der Strasse und Europas Medien zum Teufel bzw. ins Asyl nach Moskau gejagt. Darauffolgendes, bis heute anhaltendes Regierungs-Chaos.  Nicht alle in der Ukraine wollen das so hinnehmen, insbesondere die russischen Bevölkerungskreise wollen nicht einfach von Russland abgeschnitten werden und in einem Chaos-Staat leben und  ethisch benachteiligt werden. Also führen sie ein Referendum über einen Anschluss zu Russland durch. Mit überwältigendem Mehr entscheiden sie sich für Russland. (Klammerbemerkung: die Krim gehört erst seit 1954 zur Ukraine, nachdem sie der  russische Aussenminister Chruschtschow seinem ursprünglichen Heimatland einfach so geschenkt hat, wahrscheinlich in einer Wodkalaune.) Doch der Westen sagt sofort: nein, nein, njet, diese Abstimmungen gelten nicht , weil blablabla  und sonstigen Formfehlern. Die Missionare der Demokratie werden auch sonst meist etwas schmallippig, wenn die Demokratie nicht ihre eigene Haltung bestätigt. Aber anyway: Der Westen beschliesst, dass Putin der Aggressor ist, das Böse, der Angreifer. Zwischendurch hebt sogar Michail Gorbatschow sanft die Stimme, um Russlands Haltung zu verteidigen und darauf hinzuweisen, dass der Westen auch noch seine früheren Versprechen gebrochen hat und die NATO-Grenzen kontinuierlich erweitert hat. Und ebenfalls zwischendurch kommt die (kleine) Meldung aus den USA, dass die Atom-Rüstungsindustrie wegen der angeblichen Gefahr aus dem Osten Billionenaufträge lostreten müsse (und sie dann auch erhalten hat). Sind es solche Mechanismen und Interessen, die zu dieser Wahrnehmungsverzerrung führen, welche sämtliche Schweizer Medien seit Wochen unisono munter weitertragen? Ich bin kein Verschwörungstheoretiker und deshalb ein Vorschlag zur Güte, lieber Westen. Führe doch noch einmal Abstimmungen durch  – unter deiner Hoheit – auf der Krim und in der Ostukraine. Und halte danach einfach die Klappe. Beziehungsweise gib Russland die Hand, unterstütze es lieber als es zu bekämpfen. Wir sitzen kulturell, historisch und gesellschaftlich im selben Boot. Verglichen zum Beispiel mit den islamistischen Barbaren  – und für diese viel schwerwiegendere Baustelle brauchen wir Verbündete, keine unnötig Verstossenen und Verfeindeten.

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