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Regional-Rassismus.

Kürzlich war ich mit einer tollen Nationalrätin unterwegs. In ihrem Selbstverständnis fortschrittlich, weltoffen, gesellschaftsliberal, technologisch und ökologisch gleichermassen aufgeschlossen. Aber dann kam da so ein Moment… der Moment, in dem sie sich voller Inbrunst und Leidenschaft gegen den Zürcher Dialekt, damit auch die Zürcher überhaupt, etc. usw. usf. ausliess. So, wie es eigentlich alle Nicht-Zürcher tun. Uff, was für eine Ernüchterung, was für ein kleingeistiger Lokalchauvinismus, der das ganze schöne Gebäude von fortschrittlicher Weltoffenheit zusammenkrachen liess.

Das Schlimme ist, dass dies in der Schweiz gar nicht so empfunden wird. Regionaler Rassismus ist absolut salonfähig, in alle sozialen und gesellschaftlichen Kreise hinein. Das erklärt auch, wieso die Schweizer Dialekte noch immer so stark ausgeprägt sind. Oder anders gesagt: würden sich die verschiedenen Dialektgruppen sexuell stärker über die linguistischen Grenzen anziehen, wären die Unterschiede weit stärker nivelliert.

Die Frau, die ihren Eltern deren potentiellen Schwiegersohn vorstellt, hat ein Problem, wenn das in Bern oder Basel ein Zürcher ist. Das grössere Problem auf jeden Fall, als wenn es ein Belgier, Spanier oder Südkoreaner wäre. Das wird von Generation zu Generation weitergegeben. Unhinterfragt, kollektiv laufend bestätigt.

Hinter dieser Selbstversicherung steckt wohl noch ein besonderes Phänomen. Man verteidigt sein eigenes Lebensmodell. Man hat sich zum Beispiel entschieden, ein beschauliches Leben in der Berner Gemütlichkeit und nicht im wirtschaftspotenten Zürich zu führen. Oder im Solothurner Jura und nicht im industriellen Basel. Also bekämpft man dieses vermeintlich Böse mit dialektmässiger und sonstiger Ablehnung. Je grösser die Plausibilität wäre für ein anderes Lebensmodell, das man nicht angenommen hat, desto stärker bekämpft man es.  Ein Leben in Belgien, Spanien, Südkorea (siehe oben) käme für das Umfeld eh nicht in Frage, insofern stellen diese Leute auch keine Gefahr dar, seinen Lebensentwurf zu hinterfragen.

Etwas Necken ginge völlig in Ordnung. Aber Leute, die Menschen etwa in Bern oder Basel meinen es ernst. Richtig ernst. Da lob ich mir mein Umfeld: In Zürich spricht ein lokaler Radiomoderator auch mal Berndeutsch, oder Luzerner Dialekt oder was auch immer. Man stelle sich das einmal umgekehrt vor. Eben.

Das macht die ohnehin kleine Schweiz doch sehr klein. Zwergenklein. Bei aller Liebe zu der Vielfalt der Schweiz, da bleibe ich doch lieber in Zürich. Zur Freude aller anderen.

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Saisonschlüssiges.

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Eine der letzten Bergtouren dieses tollen Jahres haben mich in die Schesaplana geführt, wo man vergnügt im Unwissen ist, ob man sich jetzt gerade auf Österreicher oder Schweizer Seite befindet. Am frühen Morgen nach einem Hüttenfrühstück kam ich an der Szenerie auf dem Bild vorbei. Schön, sagst du da wohl. Stimmt. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sieht leider, leider alles ganz anders aus. (Ok, ich verspreche, es ist der letzte solche Beitrag.) Grossflächig abgeweidete, zertrampelte, überdüngte  Flächen, eine verarmte Restnatur, verkrüppelt, verarmt, verwüstet. Hunderte, wenn nicht tausende Kühe haben ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen. Ein gespenstisches Szenario, das sich Jahr für Jahr wiederholt. Unter grossem Applaus der lokalen Bevölkerung, mit Alpauf- und abzug, inklusive der Sympathie und der Finanzierung der unwissenden Städtern.

Alle kennen Bilder von norwegischen Walschlächtern, die in einer Bucht die Wale zusammentreiben und abschlachten, bis sich das Wasser rot färbt. Da ist das Entsetzen gross. Das ist absolut vergleichbar, die Einheimischen verargumentieren das ähnlich mit Tradition, Brauchtum und angeblichem materiellen Überleben. In Bezug auf Biodiversität ist die Alp-Intensiv-Weiderei allerdings noch schlimmer, weil das ganze Ökosystem über der Baumgrenze nachhaltig geschädigt wird und nicht nur wie bei den Walen die Prädatoren, die obersten Lebewesen der Nahrungskette, zerstört werden.

Weil diese Tradition der Alpenbewohner, die notabene erst seit etwa 400 Jahren besteht, allgemein akzeptiert und gefördert wird, weiss gar niemand mehr, wie die Welt oberhalb der Baumgrenze einmal ausgesehen hat. Es war eine blühende Welt, voller Vielfalt, voller pflanzlichem und tierischem Reichtum, voller verschiedenster Blütenpflanzen, Schmetterlingen, sonstigen Insektenarten, Nagetieren, Vögeln, Pilzen, Bodenpilzen, Flechten, Mikroorganismen – kurz: voller biodiverser Harmonie. Die Ironie besteht auch noch darin, dass heutzutage die Intenisv-Beweidung geradezu als systemerhaltend propagiert wird. Selbst intelligente Menschen befürchten, dass bei einer Nicht-Nutzung ein diffuser Systemkollaps eintreten würde, eine “Vergandung” oder ähnliches und man die Bauern unterstützen sollte im Kampf um die “Landschaftspflege”.

Auf meinem Bild sind noch ein paar Bergseen zu sehen. Die stehen auch stellvertretend dafür, mit welcher selbstgerechten Selbstverständlichkeit diese in den  Produktionsprozess einverleibt werden. Bergseen sind heute in 95% aller Fälle nichts als Viehtränken. Zertreten, verschissen, veralgt, überdüngt. Niemand verlangt von den Bauern, dass diese potentiell ökologischen Juwelen voller Leben abgehagt würden und das Wasser für das Vieh anderweitig zur Verfügung gestellt werden müsste. Man nimmt auch das mit grösster Selbstverständlichkeit und Desinteresse als Kollateralschaden hin.

Natürlich ist mir bewusst, dass sich etwas kulturell so tief verankertes wie diese ökologisch desaströse Alpwirtschaft niemals ändern lässt. Ich wäre nur schon zufrieden, wenn ein einigermassen faires Agreement 10 oder 20 Prozent der heutigen Flächen von der Nutzung ausscheiden würde. Heute wird alles genutzt, was sich nutzen lässt. Bis zu den hinterletzten Tälern, Hochebenen und Berggipfeln, die für das Vieh zugänglich sind. Wenn die Schweiz ihre weltweit gesetzten Biodiversitätsziele, von denen sie weit entfernt ist, erreichen möchte, wäre dies das effizienteste Mittel.

Aber ja, das ist Theorie. Der Alb- bzw. Alptraum geht weiter.

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Agrar-wüste Schweiz.

Wenn man mich als Vorstand der grössten Schweizer Naturschutzorganisation (wenn auch nur auf ehrenamtlicher, kantonaler Basis) fragt, was denn das grösste ökologische Problem darstellt, ist meine Antwort klar.

Erstens die Landwirtschaft. Zweitens die Landwirtschaft. Und drittens…die Landwirtschaft.

Weltweit, aber oder gerade auch in der Schweiz.

Die Landwirtschaft – und ich meine einfachheitshalber die Forstwirtschaft und Fischerei inklusive – ist  per se der Gegenpol zur Natur. Semantisch betrachtet kommt der Begriff “Natur” von lat. nasci,  natum, (geboren werden, sein), währenddem die “Kultur(landschaft)” von colere, cultum (bebauen, bebaut) kommt.

Viele mag das erstaunen. Heutzutage wird in der öffentlichen Darstellung, etwa dem Agrarmarketing, so getan, als sei die Landwirtschaft nicht nur kein Widerpart, sondern geradezu ein Verbündeter der Natur bzw. der Biodiversität.  Das ist natürlich absurd. Gerade die Städter sind gedanklich überfordert, die Tätigkeit der Bauern im “Grünen” von der Anwesenheit der Natur im “Grünen” zu unterscheiden. Irgendwie findet für sie alles draussen statt und ist in etwa dasselbe. Ein fataler Irrtum. Das Interesse des Agrarproduzenten (das Wort “Bauer” tönt in vielen grünen Ohren ja niedlich) ist, möglichst viel produzieren zu können und somit möglichst viel hinderliche Natur dabei zu beseitigen. Das mag in ärmeren Regionen der Welt, in denen zwangsläufig extensive  (Achtung, häufig missverstandenes Wort, bedeutet nicht-intensive) Landwirtschaft betrieben wird, noch einigermassen angehen. Auch in der Schweiz war das vor 100 Jahren noch kein eigentliches Problem, einzelne Nutzungsarten haben sogar einen positiven Einfluss gehabt, auf den noch heute referiert wird. Spätestens seit dem 2. Weltkrieg ist es aber völlig aus dem Ruder gelaufen. Die sogenannte “Anbauschlacht” mag politisch legitim und opportun gewesen sein. Für die Natur war sie eine Katastrophe. Oder der Grundstein zur Katastrophe. Die Landschaften wurden grossflächig ausgeräumt, der Anbau intensiviert, Natur- oder naturnahe Flächen “melioriert”, zusammengelegt, entwässert, gedüngt, überdüngt – ein Prozess, der über die letzten 70 Jahre unablässig, umbarmherzig, gnadenlos weitergetrieben wurde. Mit dem Resultat, dass naturnahe Flächen in der Schweiz nur gerade noch in homöopathischen Dosen, in minimen, nicht ganz so extrem genutzten Restflächen vorhanden sind. Vornehmlich in winzigen Oasen von Naturschutzgebieten.  Vielleicht mag das sogar ein Laie  wahrnehmen, wenn er durch das Schweizer Mittelland fährt. Erstaunlich ist jedoch, dass heutzutage dieser Übernutzungsprozess längst in den Berggebieten angekommen ist.  Eine Entwicklung, die ökologisch durchaus mit der Abholzung der Regenwälder vergleichbar ist. Ausser, dass sie vor unserer Haustüre stattfindet und  dass sie nicht besonders spektakulär daherkommt.

Die gesamten Voralpen sind nichts weiter mehr als eine überdüngte Viehweide. Aber auch über der Baumgrenze sind die empfindlichen alpinen Rasen und damit die artenreichen Lebensgemeinschaften verschwunden. Neben den Unmengen an immer mehr, grösseren und leistungsfähigeren Kühen sind bis auf 3000 Meter noch Schafe da, die der  verbliebenen Natur noch den letzten Rest geben. Diese Schafhaltung ist übrigens besonders absurd. Der ökonomische Nutzen (bescheidene Fleisch- und Wollprodukte) im Verhältnis zum ökologischen Schaden besonders drastisch verschoben. Zudem ist es so, dass der Stickstoffkreislauf ausserhalb aller natürlichen Grenzen geraten ist. Früher hatte es so viel Vieh, wie die Wiesen hergaben. Heute mit dem Kraftfutter und anderen Hilfsstoffen weiss man nicht mehr wohin mit der überschüssig produzierten Gülle und dem Mist. Beziehungsweise wird der Mist auch von den Talflächen systematisch auf die Bergweiden gekarrt und ausgebracht. Ironie ist nebenbei, dass das Kraftfutter häufig aus Soja besteht, der auf abgeholzten Regenwaldflächen in der 3. Welt für unsere Schweizer Kühe produziert wird. Da schliesst sich der Kreis des Grauens. Jetzt ist es aber nicht so, dass wir diesen Nutzungswahnsinn einzudämmen, zu kanalisieren oder verbieten suchen, sondern im Gegenteil: wir finanzieren und fördern ihn sogar. Mit Subventionen, Bergzulagen, Berghilfe, mit öffentlichen Geldern bezahlten Strassen, Seilbahnen, Alphütten, gutgemeinten Sammelaktionen, kantonalem Finanzausgleich und, und, und. Neben der urbanen Ignoranz kommt da das politische Lobbying ins Spiel. Die Schweiz ist eine eigentliche Agrokratie. Das nur gerade 2,7% grosse Berufssegment der in Land- und Forstwirtschaft Tätigen wird im Parlament von rund 30% Agrarlobbyisten vertreten (und stellt typischerweise zwei Bundesräte). Die eisern und unablässig ihre Interessen vertreten, die sämtliche Naturschutzbemühungen konsequent abblocken, die Sonderprivilegien rausholen, die es schaffen, im allgemeinen Spartrend noch mehr Gelder zu erheischen. Die Schweizer Bevölkerung bezahlt pro Jahr über 3 Milliarden Franken für ihre Intensivst-Landwirtschaft. Mit über 80% Subventionsanteil gehört die Schweizer Landwirtschaft zu den weltweiten Spitzenreitern.  Natürlich ist das mit dem Rechtsruck und noch mehr SVP-Vertretern nicht besser geworden. Fortsetzung folgt.

 

 

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Kühle Köpfe.

Heute war die Presse voll mit Gejammer über den angeblich schneearmen Winter angeblich wegen der angeblichen Klimaerwärmung. Die Tourismusbranche ruft beim Bund bereits nach Subventionen.  Dieses Klima-Gedöns geht mir mittlerweile so auf den (freien, und damit unzeitgemässen) Geist, dass ich mal recherchiert habe zum Thema Schneemengen.

- 0, 22 cm / Jahr

beträgt der eventuelle jährliche Rückgang an Neuschneemenge am Ort, der die längste und verlässlichste Messreihe der Schweiz, von 1864 bis 2006, aufweist. (Messreihe Sils-Maria; Quelle:  WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft). Sie müssen sogar einräumen, dass dieser Miniaturwert nicht statistisch signifikant ist.  (Also innerhalb des Vertrauensbereichs liegt, es könnte auch ein Wert von 0,0 sein.) Bitte mehr kühlen Kopf bewahren, liebe Journalisten. Und wenn wir schon dabei sind, gleich noch einmal zwei bemerkenswerte Zahlen zum Thema.

+ 0, 17 cm / Jahr

beträgt der durchschnittliche jährliche Anstieg des Meeresspiegels in der Zeitperiode von 1900 bis 2010. (Quelle:Wikipedia). Was zu einem Gesamtanstieg von 19 cm in der gesamten Zeitspanne geführt hat. Zur Erinnerung aus meiner erdgeschichtlichen Optik wieder ein paar neue Vergleiche aus Wikipedia: Im Eozän (vor nur 35 Millionen Jahren) war der Meeresspiegel rund 70 Meter höher. In der letzten Kaltzeit (nur vor 20’000 Jahren!) war er 120 Meter tiefer. Auch hier haben wir es also vergleichsweise mit Miniaturwerten zu tun. Zudem: Die ebenfalls bescheidene aktuelle Erwärmung der Meere scheint immer mehr zu stagnieren, aus bisher unbekannten Gründen. Ähnliches ist ja auch bei der globalen Gesamttemperatur festzustellen. Nichtsdestotrotz nehmen wir mal eine Zahl aus Wikipedia, die den langfristigen Trend der Klimaforscher repräsentiert:

+ 0, 02 Grad / Jahr

beträgt dieser einigermassen belegte Trendwert. Ob er statistisch signifikant ist, kann ich nicht beurteilen. So oder so hält sich mein Beeindrucktsein in engen Grenzen.  In scharfem Kontrast zu diesen Zahlen und Fakten steht das Vokabular unserer Medienzeit: Klimakollaps, Klimakatastrophe, Klimahölle, Weltbedrohung, undsoweiter, undsofort. Im Tages-Anzeiger war kürzlich auch von Gletschern, die “sterben” die Rede (zweimal im Text), als ob es sich um Lebewesen handeln würde. Leute, das ist alles so unsäglich naiv. Und à apropos Lebewesen gleich eine Zahl, die mich wirklich beeindruckt:

- 58’000 Tierarten / Jahr

beträgt der Verlust an Biodiversität. Es ist auch die Rede von 20’000 Arten pro Jahr, lassen wir also eine Schätzung von 30’000 gelten. (Quellen: Spiegel, WWF u.a.) Innerhalb eines einzigen Jahres! Ohne Pflanzenarten. Ohne Mikroorganismen, die man noch gar nicht kennengelernt hat. Das zeigt die aktuelle Vernichtung, Verwüstung, Verdrängung der Natur. Grossmehrheitlich verursacht durch die menschlichen Eingriffe für die Landwirtschaft. Es ist ein gigantisches, systematisches, aber gerade auch dadurch unauffälliges Abschlachten und Auslöschen von Organismen im Gang. Auf dem ganzen Planeten, aber auch und gerade in der Schweiz.  Wann findet dieser Weltgipfel statt? Wann diskutiert und debattiert die Welt über das? Bitte teilt es mir mit, sollte ich etwas verpasst haben…

 

 

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Heisse Luft.

Aus aktuellem Anlass, dem Klimagipfel in Paris, dopple ich thematisch nach. Vielleicht etwas weniger nett als im letzten Beitrag. Als jugendlicher Naturschützer bin ich meinem Umfeld, insbesondere meinen geplagten Eltern, mit dem damals revolutionären Begriff “Treibhauseffekt” in den Ohren gelegen. Damals standen zwar noch andere Öko-Themen im Vordergrund, wie etwa das Waldsterben, das dann aber doch nicht richtig stattfinden wollte. Heute bin ich noch immer Naturschützer (u.a. Vorstand einer der grössten Naturschutzorganisationen der Schweiz), aber nicht mehr ganz so jugendlich. Und sehe die Welt mit etwas anderen, vielleicht auch abgeklärteren Augen. Wenn ich also dem Treiben um den Treibhauseffekt, heute nennt sich das ganz schick “Global Warming”, zuschaue, dann muss ich noch einmal nachdoppeln und klar sagen:

Es ist alles heisse Luft.

Nochmals meine Argumentation in Kürze. Der Natur ist eine Temperaturschwankung von ein paar Grad herzlich egal. Auf die Biodiversität hat eine (mögliche) Erwärmung keine wesentliche und wenn, dann eher positive Auswirkung. Die ganze Erdgeschichte ist geprägt von stärkeren und schwächeren Klima-Schwankungen, gegen die sich die heutigen diskutierten Dimensionen lächerlich gering ausnehmen. Der CO2-Gehalt war unlängst im Tertiär (die jüngste Einheit der grösseren Erdzeitabschnitte) rund 10fach höher. Am Üetliberg sind geologisch vorgestern noch Avocado-Bäume gewachsen und Nashörner und Elefanten durch die subtropischen Wälder gestapft. Das ganze hysterisch anmutende Getue hat nichts mit Naturschutz zu tun, sondern bloss mit (möglichem) Schutz von menschlichen Einrichtungen. Betroffen könnten von Menschen gebaute Siedlungen in Meeresnähe  sein oder ähnliches. Aber nicht die Natur – in der Summe von Verlierer- und Gewinner-Arten. Und nicht einmal das Menschgemachte scheint  besonders gefährdet zu sein. Der Meeresspiegel will und will nämlich nicht medienwirksam steigen. Nicht einmal die globale Temperatur lässt sich so richtig in Fahrt reden. Auf der Südhalbkugel wachsen die Eismassen zu neuen Rekorden (was man interessanterweise kaum zu hören bekommt). Beim nächsten gröberen Vulkanausbruch wird übrigens eh wieder alles ganz anders wegen der Abkühlung durch die Staubpartikel. Der kommt vielleicht in 10, vielleicht auch erst in 200 Jahren, aber das ist, wieder geologisch gedacht, sehr bald.

Kurz: Leute, ihr seid auf dem falschen Dampfer. Und, liebe Umweltschützer, werdet wieder zu Naturschützern.

Niemand will das hören. Wirklich niemand. Geradezu faszinierend, wie ein Scheinproblem zu einem gesellschaftlichen und politischen Axiom geworden ist. Auch wenn einigen Wissenschaftern die Problematik der Unproblematik bekannt sein dürfte, hört man sie nicht. Es wäre karrieretechnischer Selbstmord. Ab einem gewissen Mass an gesellschaftlichem, politischem und sozialem Konsens kann es keine Stimmen mehr geben gegen den common sense im Sinne von  “die Welt ist eine Scheibe”. Der Mainstream bahnt sich gnadenlos seinen Weg, ohne Rücksicht auf die Wahrheit, Besonnenheit, oder Einordnungsfähigkeit. Heute wird unser aller Leben bestimmt von diesem Axiom. Mich ärgert es – ich sage es noch einmal – weil es vom eigentlichen, aber viel komplexeren Problem der Naturverdrängung und -vernichtung durch die Landwirtschaft ablenkt. Die findet jetzt und hier und ganz konkret statt. Aber es gibt keinen Gipfel dazu, wo sich die wichtigsten Leute der Welt wichtig machen .

Es kommt mir vor wie ein Patient, der mit Knochenbrüchen und verletzten Organen auf die Intensivstation eingeliefert wird. Dann steht eine Reihe Ärzte mit wichtiger Mine darum herum und sie sagen schliesslich: “Habt ihr den Cholesterin-Wert gesehen? Wow , der Patient geht ein mögliches Risiko ein, in 30 Jahren an einer Gefässverkalkung zu leiden.” Das ist zwar nicht ganz falsch, aber auch nicht zwingend richtig, und sicher nicht relevant. Und dann wird alles gemacht, dass der Cholesterinspiegel sinken könnte. Und darüber ellenlang debattiert und geschrieben. Währenddem der Patient mit seinen Schmerzen im abgeschirmten Nebenzimmer nicht mehr gehört wird.

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Planettarisches.

Meine Ode ans Wandern  im Beitrag “Wanderbares” erfährt hier noch eine  Ergänzung. Das Stichwort heisst Sinnlichkeit. Exemplarisch kommt mir eine Feierabendwanderung im Züri Oberland in den Sinn. An einem der heissen Sommertage bin ich erst um sieben Uhr abends los. Auf 1000 m in der Abendsonne bei unglaublich angenehmen 25 Grad, den Geruch von frischem Heu, Waldboden und unbedrohlich aufziehendem Gewitter in der Nase. Jeder Sonnenstrahl, der dem Gesicht, den Armen und den freien Wädli sanft schmeichelte, hatte den unvorstellbar langen Weg von 150 Millionen Kilometern zurückgelegt. Dass diese sanfte Wärme nicht immer für so liebliche Bedingungen sorgte, zeigten ein paar pflanzliche Eiszeitrelikte an den Wegrändern. Senecio alpinus (Alpen-Greiskraut), Adenostyles alpina (Alpendost) und vielleicht auch  Cardamine kitaibelii (Kitaibels Zahnwurz) sind auf dieser bescheidenen Höhenstufe eigentlich als Überbleibsel einer alpineren, sprich an eine an kühleres Klima angepassten Vegetation zu verstehen.  In geologischen Zeiträumen ist die letzte Eiszeit erst gerade vor einem Wimpernschlag (ca. 20’000 Jahre) zu Ende gegangen. Wie unwirtlich es damals doch war. Ein kilometerdichter Eispanzer hat fast sämtliches Leben gnadenlos überfahren, während Jahrtausenden, und erst mit der nachfolgenden schrittweisen Erwärmung haben sich nach und nach die Vegetation und damit weiteres Leben zurückgekämpft. Zuerst die alpinen, dann die subalpinen, dann die heutigen montanen und kollinen Arten. Jetzt säuseln die Blätter von Laubbäumen im Abendwind. Die ganze Erdgeschichte ist geprägt von längerfristigen und kürzerfristigen klimatischen Schwankungen. Die globalen Temperaturen waren im Schnitt bis zu 20 Grad wärmer oder kälter als heute. Der Meeresspiegel hat sich entsprechend dramatisch gesenkt und gehoben. Im Zeitabschnitt des Silurs geht man von einer jahrmillionenlangen Phase aus, in der die Erde nichts als ein Schnee- bzw. Eisball war, auf dem alles gefroren war. Das Leben konnte sich nur bei untermeerischen Schloten und Wärmequellen halten. Erst aktiver Vulkanismus mit vermehrtem Ausstoss von CO2 haben wieder für wärmere Zeiten gesorgt. Ausgerechnet der Stoff, der heute in den populären und für Laien verständlichen Umweltdebatten so in Verruf steht, hat ironischerweise das Leben damals gerettet. Der CO2-Gehalt der Atmosphäre hat später bis zu 50 mal (!) höhere Werte erreicht als heute. Auch der Sauerstoffgehalt war zeitweise beträchtlich höher. Die Natur hat sich jeweils stillschweigend verändert, bzw. angepasst, neue Lebensformen favorisiert, andere verdrängt. Das ist die Dynamik der Evolution, die Dynamik der Natur, die Dynamik der Biodiversität. Nur allzu leicht geht das heute in den Diskussionen über ein paar Prozent mehr CO2 oder möglichen längerfristig Erwärmungsszenarios in den Dimensionen von plus 2 Grad vergessen. Als aktiver Umweltschützer der ersten Stunde geht es mir nicht darum, Sorge um die Natur zu verharmlosen. Im Gegenteil. Es geht mir darum, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und nicht von den dringendsten Umweltproblemen abzukommen. Das Global warming ist per se keine Umweltproblematik, es ist höchstens eine Problematik, welche die vom Menschen geschaffenen Einrichtungen betrifft. Der Natur im eigentlichen Sinne ist diese – unter dem Strich bescheidene  – Veränderung völlig egal. Es wird Gewinner und Verlierer geben, aber auf die Biodiversität als Gesamtes, als Summe, hat die Entwicklung keinen relevanten Einfluss. Wissenschaftlich betrachtet muss man einer moderaten Erwärmung sogar eher positive Effekte zugestehen. Nur möchte das natürlich niemand hören, zu einfach liegt hier ein für alle nachvollziehbares Problem vor, das Milliarden an Forschungsgeldern freisetzt und viel, meist gutgemeinte, Energie kanalisiert. Mir wäre dieser Aktionismus eigentlich alles in allem recht egal, wenn er nicht von wirklich relevanten Umweltproblemen ablenken würde. Und da gilt es halt doch einmal, das Kind beim Namen zu nennen: unsere Nahrungsmittelproduktion.  Sprich die Landwirtschaft, so, wie sie heute betrieben wird. Ob die Abholzung der Regenwälder, die Überfischung der Meere, die Überdüngung der Viehwirtschaftflächen, die unendlich grossen eintönigen Agrarwüsten – hier und jetzt wird die Natur zerstört, verdrängt und irreversibel vernichtet. Aber das soll in einem anderen Beitrag eingehend aufgegriffen werden. Lassen wir also diese Zeilen ausklingen mit einem Dank an unsere sanfte Zwischeneiszeit, in der wir das Privileg haben zu leben. Auf diesem sehr, sehr netten Planeten.

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Verschwyzerung.

Dieser Begriff ist geklaut. Von Michael Herrmann, dem Politkolumnisten des Tages-Anzeigers. Ich finde seine Analyse der Schweizer Wahlen vom Herbst 2015 dermassen treffend, dass ich mir hier erlaube, den Link zu seinem Artikel anzufügen:

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-verschwyzerung-der-schweiz/story/28200171?track

Der Kerngedanke mit der Schweiz als Villenviertel lässt mich seither nicht mehr los und er erklärt auch das alltägliche Verhalten der Schweizer Bevölkerung mit ihren Schein- und Luxusproblemen, das mich sooft provoziert, auf sehr elegante Weise. Insofern nimmt er mir auch eine Menge Arbeit ab, dieses Verhalten weiter zu verfolgen und zu kritisieren. Danke, Michael:-)

 

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Krisengewinnler.

Zuerst eine Entschuldigung bei meinem SÜLZ (Sehr überschaubarem Lese-Zirkel) für die lange Blogpause. Ich habe mich unter anderem in Argentinien und Marokko herumgetrieben und war nicht unbedingt in Schreiblaune. Diese Reisen haben aber durchaus einen Bezug zu diesem Beitrag. Denn zurück in der Schweiz fällt einem – neben den schlechtgelaunten Menschen, aber das ist nichts Neues – auf, wie oft das Wort “Krise” benutzt wird. Im Gegensatz zu einem Land wie Argentinien, das tatsächlich eine Krise hat und sich nichts anmerken lässt. Hier findet genau das Umgekehrte statt. Um es einmal glasklar zu sagen: die Schweiz hat keine Krise. Ich wiederhole es nochmals für die Journalisten, die es so oft geschrieben haben, dass sie tatsächlich daran glauben: Die Schweiz hat keine Krise.  Und weil es mir immer noch die Mehrheit nicht glaubt, gleich nochmals: Die Schweiz hat keine Krise. Keine “Wirtschaftskrise”, keine “Finanzkrise”, keine “Währungskrise”, keine “Frankenkrise”, keine “Exportkrise”, einfach nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil. Die Schweiz war historisch noch nie so stark drauf (wir reden notabene immer nur von der wirtschaftlichen Verfassung). Ein Paar Zahlen dazu: Das BIP (Bruttoinlandprodukt) absolut und pro Kopf war noch nie so hoch. (700 Mia.  bzw. 86000 US-Dollar).  Die Schweiz ist die 19. grösste Volkswirtschaft der Welt. Mit einem höheren BIP als beispielsweise eben Argentinien mit 41 Millionen Einwohnern. Ich spreche von den absoluten Zahlen… In der letzten Dekade war nur gerade im Jahr 2009 ein leicht negatives Wachstum zu verzeichnen, alle anderen Jahren hatten positive, die vielbeschworenen Krisenjahre Jahre 2013 und 2014  bereits kräftige Zuwachsraten von 2% – notabene bereits auf extrem hohen Niveau. Die Schweiz schneidet aber auch in eher zukunftsgerichteten Studien zu Wettbewerbsfähigkeit u.ä. hervorragend ab, sogar beim Global Innovation Index liegt sie auf Platz 1.

Das Jahr 2014 bescherte der Exportwirtschaft zudem ein Rekordjahr. Es wurden Waren im Wert von über 200 Mia. CHF ins Ausland verkauft, so viel wie nie zuvor; entsprechend hat auch die Handelsbilanz gleich alle Rekorde gebrochen. Dahinter steckte zusätzlich auch die Subventionierung über den gestützten Eurokurs. Dazu hat Oswald Grübel, Bankerurgestein und nicht gerade bekennender Kommunist, sinngemäss gesagt: Es gehe nicht an, dass über die Allgemeinheit (sprich die Schweizer Nationalbank) die Gewinne von Privaten (der exportorientierten privaten Unternehmen der Schweiz) finanziert werden. Recht hat er damit gehabt. Als dann die SNB endlich ihre Eurostützung und damit auch ihre illusorische Auflehnung gegen die Macht der Märkte aufgegeben hat – zu einem klugen Zeitpunkt und gut kommuniziert – kam der grosse Aufschrei in der Presse. Und die Stunde der Krisengewinnler. An vorderster Front wie immer die Profiprofiteure: die Landwirtschaft, die Tourismusbranche, die Gastronomie – und natürlich eben die Exportwirtschaft, die im Jahr zuvor Rekordgewinne geschrieben hat. Die Löhne müssten runter, Kurzarbeit sei nötig oder noch besser: Mehrarbeit zum selben Lohn sei angebracht. Tatsächlich so geschehen bei der Straumann AG – da zeigen sich die Unternehmer als Krisengewinnler, da sie ihren Mitarbeitenden erfolgreich den Angstschweiss auf die Stirn treiben konnten. Auf politischer Ebene haben es die Gewerkschaften ebenso wie der Arbeitgeberverband versucht; den Vogel abgeschossen aber hat Toni Brunner, amtierender SVP-Präsident, mit der Sofortwarnung, “nun müsse dereguliert werden”. Dazu muss man wissen, dass dieser Toni Brunner sein Leben lang von der weltweit einzigartig regulierten Schweizer Landwirtschaft gelebt hat (neben seinen Politiker-Einkünften vom vielgescholtenen Staat ). Eine Branche, die sich mithilfe der SVP mit Händen und Füssen wehrt gegen sämtliche Marktliberalisierungen. Und nebenbei dem ganzen Land wichtige Freihandelsabkommen blockiert. “Deregulierung” heisst bei der SVP weniger Kontrollen für den Finanzmarkt mit seinen Tricks, Schlaumeiereien und kriminellen Auswüchsen sowie natürlich weniger Umweltschutz. Ein Umweltschutz,  der sich erdreistet, auch in der Agrarpolitik schüchterne Auflagen einzuführen, wenn der Staat das Ganze schon zu 83% finanziert (über Direktzahlungen, direkte und indirekte Subventionen).

Überhaupt hätte die SVP gerne eine Schweiz in der Krise. Denn wir wissen alle, wer sich dann endlich als der Retter, der Erlöser, der Potentat contre coeur sozusagen, aufspielen könnte. Deshalb , liebe Leute, bewahrt einen kühlen Kopf, und hört auf, von Krise zu sprechen oder zu schreiben. Auch wenn das dem Schweizer Naturell mit seinem christlichen Selbstgeisselungsbedürfnis schwerfällt. Bitte den Satz einfach einmal laut aussprechen: “Uns gehts nicht gut. Uns gehts verdammt gut.” Und jetzt noch einmal wiederholen bitte. Geht doch, danke.

PS: Übrigens hat der angesprochene Möchtegern-Retter, das sei der Gerechtigkeit halber auch erwähnt, bei der grossen Frankenhysterie ausgesprochen cool reagiert, selbst als Besitzer einer exportorientierten Firma. Sinngemäss gab er den einfachen, aber klugen Satz von sich: “Wer in der Schweiz ein Produkt herstellt, das er im Ausland günstiger herstellen kann, stellt das falsche Produkt her.” Bumm. Dumm ist er ja nicht.

PPS: Ich gehe noch eine Wette ein: Wer mir bis 1. Juni 2015 eine Ausgabe der NZZ, dem Tages-Anzeiger oder deren Sonntagsausgaben zeigen kann, in der das Wort “Krise” nicht vorkommt, erhält 1000 Franken bar auf die Hand. Oder sagen wir: 1000 Euro…

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Wanderbares.

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Auch im Winter ist Wandern wunderbar. Das Bild stammt von der heutigen Schneeschuhtour im Randengebiet. Die digitale Tinte vom letzten Beitrag ist  kaum getrocknet und schon war ich wie geschildert als “Germane” unterwegs. Einsam,  meine Spur durch den Schnee ziehend, auf der ganzen Tour keiner Menschenseele begegnend. Es war zum Schreien schön. Im wahrsten Sinne – ich konnte mindestens zehn Mal ein “Läck, isch das schön” nicht zurückhalten. Mal eher murmelnd, mal  in die Weite rausbrüllend, wo es sogleich vom wattigen Neuschnee verschluckt wurde. Was aber macht die eigentliche Faszination des Wanderns aus?  Sicher, man verabschiedet sich vom Alltäglichen und bewegt sich in einer optisch reizvollen Szenerie. Sicher, man leert seinen Speicher und ist in einem durch das Rhythmische hervorgerufenen quasi-meditativen Zustand. Sicher, man ist auf sich selbst zurückgeworfen und spürt wieder die elementaren Bedürfnisse. Sicher, man ist sportlich und gerade in den Bergen oft auch mental gefordert, wenn man Entscheidungen treffen muss. Sicher, ich sehe immer etwas botanisch oder geologisch Interessantes und werde so auch intellektuell stimuliert. Aber schliesslich steckt noch viel mehr dahinter. Das Wahrnehmen der Natur ist ein Wahrnehmen des Seins. Es ist jedes Mal eine Begegnung mit der eigenen Existenz. Oder noch ausformulierter: Man feiert seine eigene Existenz. Weil man sich demütig und dankbar bewusst wird, dass ebendiese Existenz alles andere als selbstverständlich ist. Sie ist und bleibt ein Wunder. Wie die Existenz der Materie, der Zeit, des Lichts. Die Existenz der Existenz selbst. Hier ist der Punkt, der Terra incognita bleibt, hinter den wir als Menschen nicht mehr sehen können, der per se nicht mehr begreifbar ist. Das macht eigentlich auch gar nichts – Hauptsache, wir sehen darin einen Grund zum Feiern.