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Regional-Rassismus.

Kürzlich war ich mit einer tollen Nationalrätin unterwegs. In ihrem Selbstverständnis fortschrittlich, weltoffen, gesellschaftsliberal, technologisch und ökologisch gleichermassen aufgeschlossen. Aber dann kam da so ein Moment… der Moment, in dem sie sich voller Inbrunst und Leidenschaft gegen den Zürcher Dialekt, damit auch die Zürcher überhaupt, etc. usw. usf. ausliess. So, wie es eigentlich alle Nicht-Zürcher tun. Uff, was für eine Ernüchterung, was für ein kleingeistiger Lokalchauvinismus, der das ganze schöne Gebäude von fortschrittlicher Weltoffenheit zusammenkrachen liess.

Das Schlimme ist, dass dies in der Schweiz gar nicht so empfunden wird. Regionaler Rassismus ist absolut salonfähig, in alle sozialen und gesellschaftlichen Kreise hinein. Das erklärt auch, wieso die Schweizer Dialekte noch immer so stark ausgeprägt sind. Oder anders gesagt: würden sich die verschiedenen Dialektgruppen sexuell stärker über die linguistischen Grenzen anziehen, wären die Unterschiede weit stärker nivelliert.

Die Frau, die ihren Eltern deren potentiellen Schwiegersohn vorstellt, hat ein Problem, wenn das in Bern oder Basel ein Zürcher ist. Das grössere Problem auf jeden Fall, als wenn es ein Belgier, Spanier oder Südkoreaner wäre. Das wird von Generation zu Generation weitergegeben. Unhinterfragt, kollektiv laufend bestätigt.

Hinter dieser Selbstversicherung steckt wohl noch ein besonderes Phänomen. Man verteidigt sein eigenes Lebensmodell. Man hat sich zum Beispiel entschieden, ein beschauliches Leben in der Berner Gemütlichkeit und nicht im wirtschaftspotenten Zürich zu führen. Oder im Solothurner Jura und nicht im industriellen Basel. Also bekämpft man dieses vermeintlich Böse mit dialektmässiger und sonstiger Ablehnung. Je grösser die Plausibilität wäre für ein anderes Lebensmodell, das man nicht angenommen hat, desto stärker bekämpft man es.  Ein Leben in Belgien, Spanien, Südkorea (siehe oben) käme für das Umfeld eh nicht in Frage, insofern stellen diese Leute auch keine Gefahr dar, seinen Lebensentwurf zu hinterfragen.

Etwas Necken ginge völlig in Ordnung. Aber Leute, die Menschen etwa in Bern oder Basel meinen es ernst. Richtig ernst. Da lob ich mir mein Umfeld: In Zürich spricht ein lokaler Radiomoderator auch mal Berndeutsch, oder Luzerner Dialekt oder was auch immer. Man stelle sich das einmal umgekehrt vor. Eben.

Das macht die ohnehin kleine Schweiz doch sehr klein. Zwergenklein. Bei aller Liebe zu der Vielfalt der Schweiz, da bleibe ich doch lieber in Zürich. Zur Freude aller anderen.

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