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Krisengewinnler.

Zuerst eine Entschuldigung bei meinem SÜLZ (Sehr überschaubarem Lese-Zirkel) für die lange Blogpause. Ich habe mich unter anderem in Argentinien und Marokko herumgetrieben und war nicht unbedingt in Schreiblaune. Diese Reisen haben aber durchaus einen Bezug zu diesem Beitrag. Denn zurück in der Schweiz fällt einem – neben den schlechtgelaunten Menschen, aber das ist nichts Neues – auf, wie oft das Wort “Krise” benutzt wird. Im Gegensatz zu einem Land wie Argentinien, das tatsächlich eine Krise hat und sich nichts anmerken lässt. Hier findet genau das Umgekehrte statt. Um es einmal glasklar zu sagen: die Schweiz hat keine Krise. Ich wiederhole es nochmals für die Journalisten, die es so oft geschrieben haben, dass sie tatsächlich daran glauben: Die Schweiz hat keine Krise.  Und weil es mir immer noch die Mehrheit nicht glaubt, gleich nochmals: Die Schweiz hat keine Krise. Keine “Wirtschaftskrise”, keine “Finanzkrise”, keine “Währungskrise”, keine “Frankenkrise”, keine “Exportkrise”, einfach nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil. Die Schweiz war historisch noch nie so stark drauf (wir reden notabene immer nur von der wirtschaftlichen Verfassung). Ein Paar Zahlen dazu: Das BIP (Bruttoinlandprodukt) absolut und pro Kopf war noch nie so hoch. (700 Mia.  bzw. 86000 US-Dollar).  Die Schweiz ist die 19. grösste Volkswirtschaft der Welt. Mit einem höheren BIP als beispielsweise eben Argentinien mit 41 Millionen Einwohnern. Ich spreche von den absoluten Zahlen… In der letzten Dekade war nur gerade im Jahr 2009 ein leicht negatives Wachstum zu verzeichnen, alle anderen Jahren hatten positive, die vielbeschworenen Krisenjahre Jahre 2013 und 2014  bereits kräftige Zuwachsraten von 2% – notabene bereits auf extrem hohen Niveau. Die Schweiz schneidet aber auch in eher zukunftsgerichteten Studien zu Wettbewerbsfähigkeit u.ä. hervorragend ab, sogar beim Global Innovation Index liegt sie auf Platz 1.

Das Jahr 2014 bescherte der Exportwirtschaft zudem ein Rekordjahr. Es wurden Waren im Wert von über 200 Mia. CHF ins Ausland verkauft, so viel wie nie zuvor; entsprechend hat auch die Handelsbilanz gleich alle Rekorde gebrochen. Dahinter steckte zusätzlich auch die Subventionierung über den gestützten Eurokurs. Dazu hat Oswald Grübel, Bankerurgestein und nicht gerade bekennender Kommunist, sinngemäss gesagt: Es gehe nicht an, dass über die Allgemeinheit (sprich die Schweizer Nationalbank) die Gewinne von Privaten (der exportorientierten privaten Unternehmen der Schweiz) finanziert werden. Recht hat er damit gehabt. Als dann die SNB endlich ihre Eurostützung und damit auch ihre illusorische Auflehnung gegen die Macht der Märkte aufgegeben hat – zu einem klugen Zeitpunkt und gut kommuniziert – kam der grosse Aufschrei in der Presse. Und die Stunde der Krisengewinnler. An vorderster Front wie immer die Profiprofiteure: die Landwirtschaft, die Tourismusbranche, die Gastronomie – und natürlich eben die Exportwirtschaft, die im Jahr zuvor Rekordgewinne geschrieben hat. Die Löhne müssten runter, Kurzarbeit sei nötig oder noch besser: Mehrarbeit zum selben Lohn sei angebracht. Tatsächlich so geschehen bei der Straumann AG – da zeigen sich die Unternehmer als Krisengewinnler, da sie ihren Mitarbeitenden erfolgreich den Angstschweiss auf die Stirn treiben konnten. Auf politischer Ebene haben es die Gewerkschaften ebenso wie der Arbeitgeberverband versucht; den Vogel abgeschossen aber hat Toni Brunner, amtierender SVP-Präsident, mit der Sofortwarnung, “nun müsse dereguliert werden”. Dazu muss man wissen, dass dieser Toni Brunner sein Leben lang von der weltweit einzigartig regulierten Schweizer Landwirtschaft gelebt hat (neben seinen Politiker-Einkünften vom vielgescholtenen Staat ). Eine Branche, die sich mithilfe der SVP mit Händen und Füssen wehrt gegen sämtliche Marktliberalisierungen. Und nebenbei dem ganzen Land wichtige Freihandelsabkommen blockiert. “Deregulierung” heisst bei der SVP weniger Kontrollen für den Finanzmarkt mit seinen Tricks, Schlaumeiereien und kriminellen Auswüchsen sowie natürlich weniger Umweltschutz. Ein Umweltschutz,  der sich erdreistet, auch in der Agrarpolitik schüchterne Auflagen einzuführen, wenn der Staat das Ganze schon zu 83% finanziert (über Direktzahlungen, direkte und indirekte Subventionen).

Überhaupt hätte die SVP gerne eine Schweiz in der Krise. Denn wir wissen alle, wer sich dann endlich als der Retter, der Erlöser, der Potentat contre coeur sozusagen, aufspielen könnte. Deshalb , liebe Leute, bewahrt einen kühlen Kopf, und hört auf, von Krise zu sprechen oder zu schreiben. Auch wenn das dem Schweizer Naturell mit seinem christlichen Selbstgeisselungsbedürfnis schwerfällt. Bitte den Satz einfach einmal laut aussprechen: “Uns gehts nicht gut. Uns gehts verdammt gut.” Und jetzt noch einmal wiederholen bitte. Geht doch, danke.

PS: Übrigens hat der angesprochene Möchtegern-Retter, das sei der Gerechtigkeit halber auch erwähnt, bei der grossen Frankenhysterie ausgesprochen cool reagiert, selbst als Besitzer einer exportorientierten Firma. Sinngemäss gab er den einfachen, aber klugen Satz von sich: “Wer in der Schweiz ein Produkt herstellt, das er im Ausland günstiger herstellen kann, stellt das falsche Produkt her.” Bumm. Dumm ist er ja nicht.

PPS: Ich gehe noch eine Wette ein: Wer mir bis 1. Juni 2015 eine Ausgabe der NZZ, dem Tages-Anzeiger oder deren Sonntagsausgaben zeigen kann, in der das Wort “Krise” nicht vorkommt, erhält 1000 Franken bar auf die Hand. Oder sagen wir: 1000 Euro…

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